Verdeckte Ermittler – Tatprovokation durch V-Mann stellt Verfahrenshindernis dar
Der Strafsenat des Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 10.06.2015 klargestellt, dass eine rechtsstaatswidrige Provokation einer Straftat durch verdeckte Ermittler ein Verfahrenshindernis begründet. Komme es nur deswegen zu einer Strafbarkeit wegen Beihilfe, weil die Ermittler die Tat durch massives Drängen provozieren, so darf es zu keiner Verurteilung wegen Beihilfe führen.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Aufgrund eines Anfangsverdachtes in Bezug auf weitreichende Drogendelikte wurde gegen den einschlägig vorbestraften Eigentümer einer Bar im Winter 2010 eine verdeckte Ermittlung durch sogenannte „V-Männer“ angeordnet. Diese V-Männer haben daraufhin im Januar 2011 damit begonnen, Kontakt zum Barbesitzer aufzunehmen und das Vertrauen dessen zu gewinnen. Nachdem dies gelungen ist, drängten die verdeckten Ermittler im April 2011 den Barbesitzer massiv zur Vermittlung von Drogenlieferanten.
Nachdem der Observierte Verdacht schöpft, wehrt er jegliche Forderung mit der Begründung ab, dass er „mit solchen Dingen nichts zu tun haben möchte“ und sein Geld lieber auf legalem Wege durch das Betreiben der Bar verdiene. Damit gaben sich die Ermittler jedoch nicht zufrieden und bedrängten den Besitzer erneut zur Vermittlung von Kontakten in das Drogenmilieu. Diesmal nutzten Sie einen Vorwand, dass bei Nichtpreisgabe der Informationen seine engeren Verwandten durch serbische Kriminelle bedroht und verletzt werden „könnten“. Aufgrund dieser aufgebauten Drucksituation hat der Barbesitzer die Kontakte preisgegeben, um sich, seine Familie sowie seine Freunde zu schützen. In der Folgezeit haben die Ermittler Kontakt mit den Drogenkurieren aufgenommen, wodurch es zum Verkauf der Drogen kam. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft den Barbesitzer aufgrund der Informationspreisgabe unter Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmittel angeklagt.
Das erstinstanzliche Landgericht Bonn hat den Angeklagten aufgrund der Beihilfe verurteilt. Dabei wurde bereits strafmildernd berücksichtigt, dass der Anstoß für das Drogengeschäft nicht auf der autonomen Entscheidung des Barbesitzers beruhte, sondern seitens der beiden V-Männer ausging. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, welche in Karlsruhe vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wurde.
Die Richter aus Karlsruhe entscheiden zu Gunsten des Angeklagten und hoben die Entscheidung des Landgerichts auf. Es liege nach Ansicht der Bundesrichter eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation aufgrund der Drohungshandlung seitens der Ermittler vor, welche nicht mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie dem grundrechtlich festgelegten Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG zu vereinbaren ist. Die Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden sei allein die Aufklärung von Straftaten, jedoch nicht deren unmittelbare Herbeiführung, wie es im obig geschilderten Fall eingetreten ist.
Der Einsatz der verdeckten Ermittler habe sich nicht weitgehend auf die passive Strafermittlung beschränkt, sondern stellte eine massive Einwirkung auf den Angeklagten dar, welcher aufgrund dieses Verhaltens erst davon geprägt und bestimmt wurde, den verdeckten Ermittlern „einen Gefallen zu tun“.
Da das Rechtsstaatsprinzip eine tragende Säule der Staatsziele der Bundesrepublik Deutschlands darstelle, könne ein solches Verhalten seitens der Ermittler nicht vertreten werden. Deshalb begründe eine solche Handlung ein Verfahrenshindernis, welches die Verurteilung des Angeklagten unmöglich mache. Die mildere Form der Strafzumessung im Sinne einer Strafmilderung komme nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 23.10.2014 (AZ.: 54648/09) nicht mehr in Betracht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.06.2015 – 2 StR 97/14 –
Hinweis:
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Sven Skana
Fachanwalt Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht