Tag-Schriftzug eines Graffiti-Sprühers hat ausreichenden Beweiswert für Identifizierung
Das Landgericht Potsdam musste sich in einem Prozess im Sommer 2015 mit der Beweiswürdigkeit eines individueller „Graffiti-Unterschrift“, dem sogenannten Tag-Schriftzug auseiandersetzen. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass der eigene Stil sowie die Verzierung der Buchstaben in Einzelfällen solch einen Wiedererkennungswert erlangt, dass der Kunststil mit einer individuellen Unterschrit zu vergleichen sei und somit ein bedeutsamer Beweiswert zugetragen werden muss.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelte 2014 aufgrund zahlreicher Graffitizeichnungen an mehreren Waggons eines abgestellten Regionalzuges der Deutschen Bahn. Aufgrund dieser Handlungen wurden gegen eine Mehrzahl von Personen Anklagen wegen Sachbeschädigugn sowie der Störung öffentlicher Betriebe erhoben. Die Beamten der Staatsanwaltschaft identifizierten die Beschuldigten anhand ihrer „Tag-Schriftzüge“, demnach ihrer Künstlerunterschrift.
Das Amtsgericht Nauen sah diese Beweislage jedoch als unzureichend an und verweigerte daher die Zulassung der Anklage auf der Grundlage des Künstlerstiles. Dies reiche nicht aus, um den notwendigen hinreichenden Tatverdacht des Beschuldigten herzuleiten.
Diese Argumentation war der Staatsanwaltschaft Potsdam ein Dorn im Auge, wonach diese sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Nauen einlegte.
Das Landgericht Potsdam entschied zu Gunsten der Staatsanwaltschaft und hob die vorherige Entscheidung des Amtsgerichts Nauen auf. Die Anklage ist demnach auch bei dieser Beweislage bereits zuzulassen. Die Beschuldigten seien allein aufgrund der am Waggon angebrachten „Tag-Schriftzüge“ als hinreichend tatverdächtig einzustufen.
Die Richter des Landgerichts begründeten ihre Entscheidung wie folgt:
In der Graffitiszene gelte die Regel, dass ein solcher „Tag-Schriftzug“ lediglich von einem einzigen Sprüher benutzt werde und somit individuell zugeordnet werden kann. Dieser „Tag“ ist ein Signaturkürzel und ist mit einer einzigartigen Unterschrift gleichzustellen. Zudem sei es verpöhnt, sich den „Tag“ eines anderen Künstlers anzueignen und diesen zu verwenden, da die Anerkennung und Herkunft der Kunst in dieser Sparte eine große Rolle spielt. Des Weiteren bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass der Tag seitens eines anderen Künstlers genutzt wurde.
Obwohl das Landgericht Offenburg in einer Entscheidung aus dem Jahre 2002 diesen „Tags“ lediglich eine Indizwirkung zugesprochen hat, so hat sich das Landgericht Potsdam gezielt gegen diese Rechtsprechung entschieden und dies mit der gesteigerten Anerkennung in der Graffiti-Szene begründet. Demnach könne solchen „Tags“ ein ausreichender Beweiswert zugeschrieben werden, falls der Künstler bereits seine Personalität offengelegt hat.
Zur Abgrenzung machten die Richter jedoch klar, dass sogenannte „Crew-Signaturen“, welche lediglich einen Oberbegriff einer Gruppe bilden, keine gleiche Beweiswirkung zugeschrieben werden kann, da es sich in einem solchen Fall immer um mehrere Personen handelt und keinem einzelnen Mitglied die konkrete Handlung zugerechnet werden kann.
Landgericht Potsdam, Beschluss vom 02.06.2015 – 24 Qs 110/14 –
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht