Wegstoßen am Geldautomat und Entnahme von Geld – Raub (§ 249 StGB) oder räuberische Erpressung (§ 253, 255 StGB)?
Die Richter des Bundesgerichtshofes mussten sich mit diesem Beschluss aus dem Jahre 2017 erneut in die tiefen Abgründe der strafrechtlichen Rechtsdogmatik begeben und einen rechtswissenschaftlichen Klassiker, die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung, erneut aufarbeiten.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein Bankkunde betritt eine Sparkasse und steht routinemäßig vor einem Geldautomaten, um dort eine bestimmte Summe an Bargeld abzuheben. Nachdem dieser seine Bankkarte in das Lesegerät des Automaten geschoben und seine Geheimnummer korrekt eingegeben hat, wird er vom Täter weggeschubst und geht zu Boden. In dieser Zeit wählt der Täter einen Auszahlungsbetrag von 500 € und entnimmt das vom Geldautomaten ausgegebene Bargeld, um sich zu Unrecht zu bereichern.
Der BGH musste demnach entscheiden, ob die Strafbarkeit eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung erfüllt ist. Die Richter begründeten das Urteil wie folgt:
Ein Raub nach § 249 Abs. 1 StGB liegt im oben genannten Fall nicht vor. Das vorinstanzliche Landgericht stellte richtigerweise fest, dass die Geldscheine für den Täter bereits eine fremde bewegliche Sache im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB waren, denn diese standen zum Tatzeitpunkt noch immer im Eigentum der Sparkasse und wurden aufgrund der noch nicht ausgeführten „Handübereignung“ auch noch nicht in das Vermögen des Opfers übertragen. Adressat des Ausgabevorgangs ist stets der mit der Bank durch den Girovertrag verbundene Kunde, niemals ein unberechtigter Benutzer des Geldautomaten. Dies solle laut den Richtern aus Karlsruhe auch dann gelten, wenn der Automat bis zum Zeitpunkt des Vorfalles ordnungsgemäß vom Opfer bedient wurde.
Des Weiteren müsste der Täter die Geldscheine „weggenommen“ haben, also fremdes Gewahrsam brechen und neues Gewahrsam begründen. Dies war bei der Herausnahme der Geldscheine durch den Täter aus dem Geldausgabefach jedoch nicht der Fall, denn durch die ordnungsgemäße Bedienung des Automaten erfolgt die tatsächliche Ausgabe des Geldes mit dem Willen der Bank. Durch Verlassen des Geldauswurffaches liegt kein Gewahrsam der Bank mehr vor. Somit besteht kein Gewahrsamsbruch, somit fehlt es an der Wegnahme aus § 249 Abs. 1 StGB. Hier muss zwischen der reinen strafrechtlichen Gewahrsamspreisgabe durch die Bank und der gescheiterten zivilrechtlichen Übereignung differenziert werden.
Sobald der Bundesgerichtshof einen Raub ablehnt, kommt der Auffangtatbestand der räuberischen Erpressung nach §§ 253, 255 StGB in Betracht. Eine räuberische Erpressung begeht, wer rechtswidrig mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern.
Durch das Wegstoßen des Kunden ist der Gewaltbegriff erfüllt. Indem der Täter die Geldauszahlung am Automaten einleitete und die Scheine herausnahm, während der Kunde nicht eingreifen konnte, lag eine Nötigungshandlung im Sinne einer Duldung vor. Aufgrund der automatischen Belastung seines Kontos durch die Auszahlung, welche mit seiner EC-Karte durchgeführt wurde, kann auch ein Vermögensschaden eintreten, denn die begehrte Auszahlsumme habe das Opfer nie erlangt. Des Weiteren hat der Täter vorsätzlich gehandelt und sich absichtlich rechtswidrig bereichert, wonach eine Strafbarkeit nach §§ 253, 255 StGB seitens der Richter des BGH als erfüllt anzusehen war (BGH, Beschluss vom 16. November 2017 – 2 StR 154/17).
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht