Unterliegen Angaben eines Tatverdächtigen gegenüber einem Arzt im Beisein eines Polizisten einem Beweisverwertungsverbot?
Der Strafsenat des Bundesgerichtshofes musste sich in der Rechtssasche „1 StR 277/17“ mal wieder mit dem „nemo-tenetur“-Grundsatz, sowie an diesen gekoppelte Beweisverwertungsverbote aus der Strafprozessordnung beschäftigen.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Februar 2017 hat eine 75-Jährige eine Doppelhaushälfte in Brand gesetzt und wurde vom Landgericht Traunstein zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Als eines der führenden Beweismittel zur Täterschaft der Frau wurde ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt angeführt, in welchem die Frau aussagte, dass sie kurz vor der Tat eine große Menge Psychopharmaka zu sich genommen hat und noch in ihrem Rauschzustand von einer Kriminalkommissarin ins Krankenhaus gebracht wurde.
Obwohl die Beschuldigte versuchte, der Polizistin klar zu machen, dass Sie von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen möchte, verblieb diese im Behandlungszimmer und wurde somit Zeugin der Selbstbelastung der 75-Jährigen, welche gegenüber dem Arzt aufgrund der Befunderhebung und der Angst um ihren aktuellen Gesundheitszustand die Tathandlung schilderte. Die spätere Aussage der Kommissarin wurde anschließend vom Landgericht Traunstein verwertet.
Dagegen legte die Angeklagte Revision beim Bundesgerichtshof ein, letztendlich mit Erfolg. Die Richter des Strafsenats verwiesen den Fall zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts und verwiesen bei ihrer Entscheidung auf die Grundsätze, dass niemand im Rahmen eines Strafverfahrens dazu gezwungen werden dürfe, sich durch seine Aussage selbst zu belasten und somit bei einer Überführung aktiv mitzuwirken. Dies müsse letztendlich durch den „nemo-tenetur“-Grundsatz alleinige Entscheidung des Beschuldigten bleiben.
Im vorliegenden Fall konnte eine solche eigenverantwortliche Entscheidung bei der Angeklagten nicht angenommen werden. Diese befand sich in einem rauschbedingten Zustand und bangte um ihre Gesundheit, allein deshalb schilderte Sie die Vorgänge gegenüber dem Arzt. Die beiwohnende Kommissarin hat zu keinem Zeitpunkt das Schweigerecht der Angeklagten respektiert und setzte dieser einer dauerhaften Befragung aus. Aufgrund des vorübergehenden schlechten gesundheitlichen Zustandes der Beschuldigten musste es sich der Polizeibeamtin bereits aufdrängen, dass sich diese in einer Zwangssituation befinde und keinem „Verhör“ ausgesetzt werden darf. Ein rechtmäßiger Grund zur Anwesenheit der Kommissarin habe zu diesem Zeitpunkt nicht besatnden, was ein Beweisverwertungsverbot für diese Situation in jeder Hinsicht begründet (BGH; Urteil vom 06.03.2018 – 1 StR 277/17).
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Johlige, Skana & Partner Kurfürstendamm 173, 10 707 Berlin – Adenauerplatz, 030 – 886 81 505