Unfallschaden? Vorsicht bei Schaden-Hotlines der Versicherungen
An manche Dinge möchte man am liebsten noch nicht einmal denken: Mitten auf der Kreuzung fährt einem ein großer Geländewagen SUV mit voller Wucht in die Seite! Das eigene Auto hat einen Totalschaden und ihr Beifahrer ist verletzt.
Nun meldet man sich bei der „Schaden-Hotline“ der Versicherung. Die Versicherer bieten dann am Telefon ihre Hilfe an. Alles klingt ja „so einfach“:
Eine nette und charmante Stimme säuselt am Telefon etwas von
„Schneller und unkomplizierter Hilfe. Eine Abholung Ihres kaputten Autos wird von uns erledigt und Sie erhalten gleich einen Mietwagen für die Reparaturzeit. Wir schicken Ihnen unseren Schadengutachter – Sie brauchen sich um nichts zu kümmern! Einen Anwalt brauchen Sie gar nicht – das dauert dann alles nur länger.“
Angeblich soll der Geschädigte schon in den nächsten Tagen einen Scheck oder eine Überweisung erhalten!
Nun sitzt der Geschädigte praktisch in der Falle:
Er geht darauf ein und versäumt es, einen eigenen Gutachter zu beauftragen oder die Schadenabwicklung komplett einem kompetenten Anwalt zu übertragen.
Wochen vergehen – und trotz mehrfacher Anrufe bei der Versicherung zahlt diese einfach nichts. Nun ist der Versicherungssachbearbeiter nicht mehr ganz so freundlich:
„Wir können im Moment nichts bezahlen – unser Versicherungsnehmer hat den Schaden noch nicht gemeldet – die Polizeiakte liegt uns noch nicht vor – Sie haben ein Mitverschulden an dem Unfall.“ Die Argumente, um eine Zahlung zu verweigern sind vielfältig und werden von der Versicherung phantasievoll vorgetragen.
Leistungskürzungen durch den Versicherer sind ohne Einschaltung eines Anwaltes an der Tagesordnung und der Geschädigte hat jetzt das Nachsehen! Häufig kommt trotz täglichem Nachfragen bei der Versicherung einfach gar kein Geld!
Der Ablauf ist fast immer der gleiche:
Der Haftpflicht-Versicherer spricht kurz Zeit nach dem Unfall den Geschädigten über die Schaden-Hotline an. Durch speziell ausgebildete Schadensmanager werden die Geschädigten zu einem Verhalten bewegt, welches sich möglichst kostengünstig für den Versicherer auswirkt. So ist es zum Beispiel die Aufgabe des Schadensmanagers,
- dem Geschädigten genau vor Augen zu führen, dass es zu Schwierigkeiten bezüglich der Regulierung führen könne, wenn dieser nicht die vom Versicherer benannten Anbieter wählt
- und abzuwenden, dass der Geschädigte sich Rechtsbeistand einholt. Dies gilt es deswegen abzuwehren, weil der Rechtsanwalt neben der Entstehung seiner Gebühren den Geschädigten auch darauf aufmerksam macht, welche etwaigen Ansprüche dem Geschädigten alle sonst noch zustehen
Die Versicherungen wollen immer als erste von dem Unfall erfahren, um den Schaden auf die billigste Art und Weise, also möglichst ohne Gutachter und Rechtsanwälte, regulieren zu können. Doch wer sich darauf einlässt, zahlt dann fast immer drauf. Ab ca. 700,- € Schaden ist man nämlich berechtigt, einen eigenen Gutachter zu beauftragen. Die Kosten hierfür muss der Unfallverursacher / Gegner tragen. Ein eigenes, unabhängiges Gutachten spart aber Ihr Geld, denn „Schadenschnelldienste“ der Versicherungen spielen den Schaden oft herunter.
Verbringungskosten, Nutzungsausfall, UPE-Aufschläge sowie die Wertminderung werden meist gar nicht berücksichtigt. Auch besteht Gefahr, das Versicherungen ungerechtfertigt sogenannte Totalschäden (statt Reparaturschaden) konstruieren, was den Geschädigten dann tausende Euro kosten kann. Und am Ende fehlen dann aber meist schnell 1.000,- € bis 5.000,- € Schadensersatz. Nun ist es praktisch zu spät. Diese noch offenen Rest-Schadenspositionen lassen sich auch per Anwalt kaum noch durchsetzen – für den Versicherer ist die Regulierung abgeschlossen.
Hierauf sollte also unbedingt geachtet werden:
- Bei Personenschäden bestehen oft Ansprüche auf eine Haushaltshilfe und Auslagenpauschalen
- Selbständige können Einkommensausfall und Studenten/ Azubis u. U. einen beruflichen Fortkommensschaden geltend machen
- Angestellte haben im Verletzungsfall oft Anspruch auf Verdienstausfallschaden
- Fahrgeld für Arztbesuche oder Krankenbesuche beim verletzten Angehörigen sind zu ersetzen
- Vorsicht bei körperlichen Verletzungen /Schmerzensgeld und „Abfindungsangeboten“ der Versicherung: es droht Verjährung für Zukunftsschäden!
- Mit eigener Rechtsschutzversicherung lohnt sich der Gang zum Anwalt sogar bei angeblich schuldhaftem Unfall (der oft vom Gegner einfach behauptet wird), da der Anwalt oft eine Mitschuld des Gegners ermitteln kann
- Eine Schadenhochstufung bei der eigenen Haftpflichtversicherung lässt sich oft noch vermeiden
Der Autor RA Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten. Er ist Partner in der Kanzlei Johlige, Skana & Partner in Berlin, Kurfürstendamm.