Stealthing – heimliches Entfernen eines Kondoms während des Geschlechtsverkehrs strafbar?

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Das Oberlandesgericht Schleswig – Holstein musste sich im März 2021 mit der umstrittenen Tathandlung des sogenannten „Stealthing“ auseinandersetzen.

Hinterfragt wurde, ob es sich bereits um einen sexuellen Übergriff, welcher nach § 177 Abs. 1 StGB strafbar ist, handelt, wenn der Sexualpartner während dem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr heimlich das Kondom entfernt. Die Richter des Oberlandesgerichts sahen darin eine strafbare Handlung.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Frühjahr 2018 kam es zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten zu einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Die Frau hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass Sie nur bei Benutzung eines Verhütungsmittels im Sinne eines Kondoms dazu bereit wäre. Es kam nachfolgend zum Geschlechtsverkehr mit Verwendung eines Kondoms. Während des Aktes wurde dieses jedoch heimlich vom Angeklagten entfernt. Die Frau bemerkte dies erst danach. Aufgrund dessen zeigte die Frau den Beschuldigten wegen eines sexuellen Übergriffes nach § 177 Abs. 1 StGB an.

Der Fall wurde in erster Instanz vor dem Amtsgericht Kiel verhandelt. Der Richter ging davon aus, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich stattgefunden hat. Hier sei lediglich auf die Einwilligung hinsichtlich des Geschlechtsverkehrs an sich zu achten. Auf ein besonderes Einvernehmen bezüglich der angewandten Verhütungsmethode kommt es in einem solchen Fall nicht an. Nach dieser Argumentation erfolgte ein Freispruch des Angeklagten.

Gegen dieses Urteil wandte sich die Staatsanwaltschaft mit einer Revision zum Oberlandesgericht. Die Richter des OLG widersprachen der amtsgerichtlichen Entscheidung und gaben der Revision statt. Das sogenannte „Stealthing“ ist als sexueller Übergriff nach § 177 Abs. 1 StGB zu werten und demnach strafbar.

Der Fokus der Einvernehmlichkeit lag im obigen Fall explizit auf den Geschlechtsverkehr mit einem Verhütungsmittel, was die Frau zuvor auch ausreichend verdeutlicht hat. Ohne die Benutzung eines Kondoms hätte die Geschädigte dem Akt nicht zu gewilligt. Nach Ansicht der Richter habe der Täter mit dem erneuten Eindringen ohne Kondom die vorherige einvernehmliche Handlung nicht bloß fortgesetzt, sondern dadurch eine andere sexuelle Handlung vorgenommen, welche nicht mehr durch den Konsens der Partnerin gedeckt war.

Zudem gaben die Richter an, dass es hinsichtlich der Strafbarkeit der Handlung nicht auf eine Ejakulation ankomme. Diese erhöhe zwar das Risikopotential des Opfers und der Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung sei schwerwiegender anzusehen, jedoch liege die strafbare Handlung bereits allein in dem Eindringen in das Opfer ohne Kondom.

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 –

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Hinweis:

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Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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