Ohne Fahrausweis am Bahnsteig – reicht das schon für eine Strafbarkeit wegen Erschleichen von Leistungen?
Das Oberlandesgericht Hamburg hat bereits im Jahre 1980 ein wegleitendes Urteil gefällt, welches uns bis zum heutigen Tage im öffentlichen Verkehr zum Thema Schwarzfahren begleitet. Demnach mussten die Richter sich mit der Strafbarkeitsschwelle des § 265a StGB auseinandersetzen. Dieser straft das gezielte Erschleichen von Leistungen, beispielsweise die klassische „Schwarzfahrt“. In diesem Kontext kam die Frage auf, ob eine Strafbarkeit nach § 265a StGB möglicherweise bereits vorliegt, wenn man bereits den Bahnsteig ohne das vorherige Lösen eines gültigen Fahrscheines betritt. Die Richter entschieden sich gegen diese Auslegung und argumentierten, dass ein Bahnsteig keine „Einrichtung“ im Sinne des § 265a StGB darstellt und somit bereits aufgrund der Wortlautgrenze nicht unter die Norm fallen dürfe.
Dem Urteil liegt folgendes Geschehnis zugrunde:
Ein Mann aus Hamburg, welcher bereits mehrfach von sämtlichen U – sowie S – Bahnhöfen in Hamburg mithilfe eines Platzverweises vertrieben wurde, hielt sich eines Tages trotz des auferlegten Hausverbotes am Bahnsteig des U-Bahnhof Stephanplatz auf. Obwohl der Zutritt zu der gesamten Bahnanlage nach den Beförderungsbedingungen des Verkehrsunternehmers lediglich mit einer gültigen Fahrkarte gestattet war, konnte der Mann diese nicht vorweisen.
Dies führte dazu, dass das Sicherheitspersonal die Polizei verständigte, den Mann vom Bahngelände verwies und eine Anzeige aufgrund Hausfriedensbruch nach § 123 StGB stellte. Das Amtsgericht Hamburg verurteilte den Mann deshalb wegen Hausfriedensbruch sowie noch weiterer offener Delikte zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung.
Die Staatsanwaltschaft pochte in ihrer Anklage jedoch auch auf die Verurteilung wegen des Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a StGB, da sich der Mann bereits eine Möglichkeit geschaffen hat, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, ohne in dem Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein. Es folgt die Revision zum Oberlandesgericht Hamburg.
Die Richter lehnten die Revision als unbegründet ab. Aus Sicht des Oberlandesgerichts Hamburg habe sich der Angeklagte nicht wegen Erschleichens von Leistungen als sogenannter Schwarzfahrer strafbar gemacht. Für die Erfüllung des Straftatbestands des § 265a StGB bedarf es einer „Einrichtung“, welche voraussetzt, dass mit der Gewährung des Zutritts eine vermögenswerte Leistung angeboten werde, die auch dem Zweck der Einrichtung entspreche. Dies sei beispielsweise bei öffentlich-zugänglichen Stätten wie Zoos, Schwimmbädern, Kinos, oder Museen der Fall. Ein für den Zugverkehr dienender Bahnsteig oder eine vergleichbare Bahnanlage ist von der Teilnahme am Zugverkehr zu differenzieren. Die Möglichkeit, dem Zugbetrieb zuzuschauen, Reisende dort abzusetzen oder dort abzuholen sowie an Kiosken einzukaufen, stellt nicht den Hauptzweck des Bahnsteigs dar und ist somit nicht als vermögenswerte Leistung im Sinne des § 265a StGB anzusehen, die mit der alleinigen Gewährung des Zutritts auf den Bahnsteig angeboten wird.
Man muss beachten, dass hier lediglich die strafrechtlichen Konsequenzen seitens des OLG Hamburg ausgehebelt wurden. Auch wenn der § 265a StGB nicht erfüllt ist, so kann ein zivilrechtlicher Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen des Verkehrsunternehmens eine Erhebung des erhöhten Beförderungsentgeltes mit sich bringen.
Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 04.12.1980 – 1 Ss 232/80 –
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht