Hausfriedensbruch /Einbruch? Tierschützer – Dokumentation gegen Gesetzesverstöße in Schweinezuchtbetrieb: nicht strafbar!

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Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt musste sich im Jahre 2018 mit der Strafbarkeit zweier Tierschützer auseinandersetzen, welche in einen Schweinemastbetrieb eingebrochen sind, um die dortigen Gesetzesverstöße gegen die Tierschutznutztierverordnung zu dokumentieren. Das OLG sah einen rechtfertigenden Notstand nach § 34 StGB erfüllt, welcher der Strafbarkeit der Handlung entgegensteht.

Das Urteil ergab sich aus folgender Konstellation:

Die beiden Tierschützer wurden aufgrund des Einbruchs in den Mastbetrieb nach § 123 StGB wegen Hausfriedensbruch angeklagt. In diesem Mastbetrieb soll es laut anonymen Quellen zu zahlreichen Gesetzesverstößen gegen die Tierschutznutztierverordnung gekommen sein. Trotz erfolgter Anzeige gegenüber den zuständigen Behörden wurde nicht unternommen. Die angefertigten Bildaufnahmen, welche während des nächtlichen Einbruches erstellt wurden und etwaige Verstöße dokumentierten, wurden an das Landwirtschaft – und Umweltministerium sowie das Landesverwaltungsamt von Sachsen – Anhalt weitergeleitet. Zudem erstatteten die beiden Tierschützer ebenfalls Anzeige gegen den Mastbetrieb.

Die Anzeige aufgrund Hausfriedensbruchs führte zum Prozess am Amtsgericht Haldensleben. Der Tatrichter sprach die beiden Angeklagten frei und berief sich dabei auf den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) als auch auf das Nothilferecht (§ 32 StGB). Die Berufung wurde am Landgericht Magdeburg verhandelt. Dessen Richter kamen zu dem exakt selben Ergebnis und sprachen die Angeklagten frei. Dies war der Staatsanwaltschaft ein Dorn im Auge, weshalb diese Revision zum Oberlandesgericht einlegte. Sie stützte sich auf das Argument, dass ein rechtfertigender Notstand nicht greife. In der Konstellation waren zwar die gehaltenen Schweine gefährdet, jedoch sei konkludent auszulegen, dass der Halter der Schweine trotz Gefährdung den Hausfriedensbruch der Tierschützer offensichtlich nicht gewollt habe.

Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision der Staatsanwaltschaft zurück. Die Tierschützer seien demnach nicht gemäß § 123 StGB zu verurteilen. Nach der zutreffenden Begründung des Landgerichts lag ein rechtfertigender Notstand im Sinne des § 34 StGB vor. Die Richter lehnten die Auffassung der Staatsanwaltschaft ab, wonach ein Vorgehen gegen die Misshandlung der Tiere nur dann unter § 34 StGB falle, wenn der Eigentümer der Tiere dies billige. Dies würde zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen kommen und die Wirkung des § 34 StGB untergraben. Der subjektive Wille des Tierhalters dürfe in diesem Fall keine Rolle spielen. Ansonsten wäre der Fall gegeben, dass ein erstickender Hund in einem nicht-gekühlten Fahrzeug nicht gerettet werden dürfe, sobald der Besitzer subjektiv davon ausgehe, dass dem Hund schon nichts passieren würde. Spricht man sich gegen diesen Gedanken aus, wie auch die Richter des OLG Sachsen-Anhalt, so ist hier ein rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB bezüglich des Einbruches zu bejahen.

Eine Rechtfertigung wegen Nothilfe nach § 32 StGB wurde seitens des OLG jedoch abgelehnt. Die Tierschützer hatten wohl nicht die Absicht, die sich in dem Zeitpunkt des Einbruchs im Schlachthof befindlichen Tiere vor Gefahren durch die Verstöße zu schützen, denn legt man die Zeitachse lebensnah aus, so vergeht eine bestimmte Zeit bis es zur Besserung der Situation kommt und die Verstöße abgeschafft werden. In dieser Zeit wurden die gegenwärtigen Tiere jedoch längst geschlachtet. Demnach wäre die Anwendung des § 32 StGB in der vorliegenden Konstellation verfehlt.

Als Schlussbemerkung betonten die Richter des OLG jedoch noch einmal die Ausnahmekonstellation des § 34 StGB. Dieser komme im vorliegenden Fall lediglich in Betracht, da den Eingreifenden die Tatsachen (Tierschutzverstöße) bekannt seien, welche letztendlich zur Rechtfertigung führte. Durch die wiederholte Anzeige solcher Verstöße gegenüber den Behörden kann von einem sicheren Wissen ausgegangen werden. Da die Behörde im konkreten Fall keine Nachforschungen anstellte und somit ihre Aufgabe nicht erfüllte, wurde den Tierschützern ein Recht eröffnet, der Sache selbst „in einem angemessenen Rahmen“ auf den Grund zu gehen, was diese durch die Dokumentation der Verstöße auch taten.

Würde es sich lediglich um eine Vermutung bezüglich der Verstöße handeln oder die Behörde bereits Tätigkeiten entfaltet haben, so wäre eine Notstandslage zu verneinen und § 34 StGB zu versagen. Aufgrund der schwierigen Umstände und das Unterlassen einer Handlung seitens der Behörde liegt jedoch eine spezielle Notstandslage vor, welche die Angeklagten rechtfertigte (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.02.2018 – 2 Rv 157/17).

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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