„Containern“ abgelaufener / entsorgter Lebensmittel: strafbar laut BVerfG

 In Veröffentlichungen

In einem brandneuen Beschluss aus dem August 2020 wurde die Rechtsproblematik des „Containers“ nun auch vom höchsten Gericht Deutschlands geklärt und als strafrechtlich relevant empfunden. Dies hat zur Konsequenz, dass die Entnahme von Lebensmitteln aus dem Abfallbehälter eines Supermarktes nach aktuellem Recht als Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB bestraft werden kann. Die Karlsruher Verfassungsrichter deuteten darauf hin, dass den vorliegenden Verurteilen keine rechtlichen Fehler anhaften. Letztendlich liegt es beim Gesetzgeber, eine Entkriminalisierung eines solchen Verhaltens herbeizuführen.

Ausschlaggebend war folgender Fall:

Die beiden Beschwerdeführerinnen entwendeten zahlreiche Lebensmittel aus einem verschlossenen Abfallcontainer, welcher sich auf dem Parkplatz eines Supermarktes befand und dort für die entgeltliche Abholung durch einen Abfallentsorger bereitgestellt wurde. In dem Container befanden sich Lebensmittel, welche die Grenze der Mindesthaltbarkeit bereits überschritten haben oder aufgrund ihres Erscheinungsbildes nicht mehr verkauft werden konnten.

Das erstinstanzliche Amtsgericht sah in dieser Handlung eine gezielte Wegnahme von fremden beweglichen Sachen, welche keiner „Derelektion“ (Eigentumsaufgabe) nach § 959 BGB unterlagen und somit für die beiden Studentinnen immer noch „fremd“ waren. Nach ausführlicher Beweiswürdigung kam der Tatrichter zu dem Entschluss, dass durch den Verschluss des Containers sowie den gezielten Entsorgungsvertrag mit dem Abfallentsorger eine solche Eigentumsaufgabe nicht im Sinne des Supermarktes stand. Die beiden Angeklagten wurden aufgrund eines Diebstahles nach § 242 Abs. 1 StGB verurteilt.

Dagegen wehrten diese sich mit einer Sprungrevision zum Bayerischen Obersten Landesgericht, welches diese jedoch als unbegründet verwarf. Die Auffassung des Amtsgerichts, die Lebensmittel seien fremd gewesen, begegne keinen rechtlichen Bedenken. Auch die Argumentation der Wertlosigkeit der Sache wurde von den Richtern ausgehebelt, welche durch diesen Umstand keine berechtigte Wegnahme durch Dritte erkannten.

Letztendlich erhoben die beiden Beschwerdeführerinnen Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und rügten die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Diese Verletzungen leiten sich aus dem Verstoß gegen das „Übermaßverbot“ her, denn die weggeworfenen Lebensmitteln seien nicht von solch einem schutzwürdigen Interesse, dass diese im Sinne des „ultima-ratio-Gedankens“ des Strafrechtes durchgesetzt werden können. Außerdem sei Art. 20 a GG zu beachten, welcher auch den Gemeinwohlbelang eines verantwortungsvollen und nachhaltigen Umganges mit Lebensmitteln beinhalte, welche durch die Verurteilung wohl konterkariert werde.

Das Bundesverfassungsgericht gibt den Verfassungsbeschwerden jedoch nicht statt.

Einerseits sei dazu aus strafrechtlicher Sicht kein Grund ersichtlich, denn die richterliche Beweiswürdigung enthalte keine verfassungsrechtlichen Fehler, welche hier rügefähig wären. Die Fachgerichte haben maßgeblich auf eine ausreichende Tatsachenfeststellung sowie auch die Begründung der Ablehnung der vermeintlichen „Derelektion“ Rücksicht genommen. Dies sei ausreichend und unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten vollumfänglich möglich.

Andererseits verstoße das sogenannte „Containern“ auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie des „Ultima-Ratio-Prinzips“. Kommt es zu solchen Einzelfällen, so ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, den Bereich der strafbaren Handlung verbindlich für alle Bürger festzulegen. Ob der Gesetzgeber seinerseits die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden habe, liegt nicht im Prüfungsrahmen des Bundesverfassungsgerichtes. Dieses wacht lediglich darüber, ob die materielle Strafvorschrift im Einklang mit der Verfassung steht, was vorliegend der Fall ist.

Solange der Gesetzgeber demnach nicht tätig wurde und in besonderen Fällen den Eigentumsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG mit besonderen Inhalts – und Schrankenbestimmungen belegt, so ist an einer Verurteilung bezüglich des „Containerns“ nichts auszusetzen.

Zum Schutze der Angeklagten bestehe seitens des Straf – und Strafprozessrechtes hinreichende Möglichkeiten, eine ausgewogene Einzelfallentscheidung zu fällen, auch unter Nutzung etwaiger Strafmilderungsvorschriften.

Letztendlich wurde durch diesen Beschluss ein deutliches Signal aus Karlsruhe gesendet, dass es in besonderen Fällen Aufgabe der Legislative /des Gesetzgbers ist, bestimmtes strafrechtliches Verhalten aus dem Strafkatalog zu entfernen und eine richterliche Rechtsfortbildung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 05.08.2020  – 2 BvR 1985/19, 2 BvR 1986/19 –

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

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Sven Skana

Fachanwalt Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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