Ausländischer polnischer Ersatzführerschein berechtigt zur Verkehrsteilnahme?
In dem zunächst vom AG Hannover zu verhandelnden Fall wurde dem Angeklagten 2005 die ihm 2003 erteilte deutsche Fahrerlaubnis von der Behörde bestandskräftig entzogen. 2008 erwarb er in Polen einen polnischen Führerschein der Klasse B, welcher ihm jedoch 2012 vom AG Hannover durch Strafbefehl entzogen wurde, verbunden mit einer Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis.
Daraufhin gab der Angeklagte in Polen eine Verlustanzeige für seinen polnischen Führerschein aus dem Jahr 2008 ab und erlangte dort auf diese Weise 2013 einen neuen. Allerdings enthielt dieser im Gegensatz zum ersten polnischen Führerschein eine Befristung. In den Jahren 2016 und 2017 fuhr er dann mit seinem PKW auf Hannovers öffentlichen Straßen und zeigte bei den Polizeikontrollen seinen im Jahr 2013 erworbenen polnischen Führerschein vor.
Nachdem das AG den Angeklagten vom Tatvorwurf des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zweimal freigesprochen hatte, hob das LG Hannover nach Berufungseinlegungen seitens der StA die erstinstanzlichen Urteile auf und verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1 StVG. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten vor dem OLG Celle war zumindest teilweise erfolgreich und führte zur Aufhebung des LG-Urteils sowie Zurückverweisung an das LG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Das OLG Celle stimmte dem LG zu, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Taten in den Jahren 2016 und 2017 keine deutsche Fahrerlaubnis besessen habe, da diese ihm bereits entzogen worden war.
Der polnische Führerschein von 2013 führe nicht zur Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Verkehr in Deutschland, da es sich hierbei nicht um eine neue Fahrerlaubnis handele, sondern um einen Ersatzführerschein für den polnischen Führerschein aus dem Jahr 2008, den der Angeklagte in Polen als abhanden gekommen gemeldet hatte. Hierfür spräche die Tatsache, dass die Spalte 12 des Führerscheins von 2013 die Eintragung des Codes „71“ enthalte, welche auf ein Duplikat eines bereits ausgestellten Führerscheins hinwiese (vgl. Anhang I der 3. EU-Führerschein-Richtlinie (2006/126/EG)). Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass dieser Ersatzführerschein anders als der Führerschein von 2008 erstmalig eine Befristung nach Art. 7 Abs. 2a der 3. FS-RL enthalte. Dieser Fall unterscheide sich zudem von dem Fall, in dem der Führerschein im Wege des Umtauschs einer in Deutschland erteilten Fahrerlaubnis durch einen anderen EU-Mitgliedsstaat nach Art. 11 Abs. 2 der 3. FS-RL erteilt wird und dieser daher als neue Fahrerlaubnis eingestuft werden könne (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.01.2016, 1 Ss 106/15).
Ferner sei zu beachten, dass dem Angeklagten die von Polen als einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis von 2008 durch den Strafbefehl in Deutschland nach § 69 Abs. 1 StGB rechtskräftig entzogen worden und zeitgleich eine Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 1 StGB angeordnet worden war, ohne dass ihm nach Ablauf dieser Frist das Recht zur Teilnahme am öffentlichen Verkehr in Deutschland wiedererteilt worden wäre. Der polnische Führerschein, der dem Angeklagten 2013 von Polen als Ersatzführerschein für die entzogene polnische Fahrerlaubnis von 2008 nach Art. 11 Abs. 5 der 3. FS-RL ausgestellt wurde, berechtige nicht zur Teilnahme am öffentlichen Verkehr in Deutschland, vgl. § 28 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Nr. 3 FeV (OLG Celle, Beschluss vom 12.12.2019, 2 Ss 138/19).
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Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Strafrecht