Erzwingungshaft angeordnet? Verhältnismäßigkeitsanforderungen bei Geldbuße 15 €
Eines der schwerwiegendsten Grundrechtseingriffe und die mächtigste Waffe der Verwaltungsbehörden stellt wohl die Erzwingungshaft nach § 96 OWiG dar, welche die Behörden dazu ermächtigt, die Maßnahme des Freiheitsentzuges anzuordnen, weil eine durch eine Ordnungswidrigkeit verursachte Geldbuße nicht ordnungsgemäß bezahlt wurde.
Jedoch muss sich auch solch ein Eingriff innerhalb der Grundsätze der Verfassung bewegen, damit die Maßnahme keine Rechtswidrigkeit aufweist. Dies wird meist durch die Verhältnismäßigkeitsanforderung geregelt, welche auf dem Grundsatz des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes fußt. Demnach muss die Sanktion auf der einen Seite mit dem schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen auf der anderen Seite abgewogen werden. Stellt die Sanktion einen verständlichen Eingriff dar, so gilt sie als verhältnismäßig.
Aufgrund des scharfen Schwertes der Erzwingungshaft sind die deutschen Gerichte deshalb angeraten, die Verhältnismäßigkeit solcher Zwangsmaßnahmen detailliert zu überprüfen, um dem Prinzip der Gewaltenteilung gerecht zu werden. So geschah es auch in dem Beschluss des AG Dortmund vom 14.01.2019 (729 OWi 1/19).
Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Betroffene hat sich ein Verstoß gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz zulasten kommen lassen, da er an einem Hauptbahnhof eine Zigarettenkippe auf den Boden warf, was mit einer Geldstrafe von 15 € geahndet wurde. Trotz mehrfacher Anmahnung verweigerte der Beklagte die Zahlung. Die Verwaltung sah sich gezwungen, die Zahlungsunwilligkeit des Betroffenen bezüglich des Bescheids über 15 € (!) durch die Anordnung einer Erzwingungshaft zu sanktionieren.
Nach mangelnder Rückmeldung bezüglich des Betroffenen zum Haftantritt wurde dieser an seiner angegebenen Meldeadresse aufgesucht. Das Aufsuchen der Wohnung des Betroffenen führte zu der Erkenntnis, dass sich dieser in Haft befinde.
Dies führte zur Überprüfung seiner Zahlungsfähigkeit, denn nur bei Vorliegen dieser ist die Anordnung einer Erzwingungshaft nach § 96 OWiG überhaupt möglich.
Nach Rücksprache mit der verwahrenden JVA am 12.11.2018 wurde den Beamten mitgeteilt, dass der Beklagte von dortaus keine pfändbaren Beträge abführen könne. Weitere Erkenntnisse über das Vermögen sowie die Einkünfte des Betroffenen konnten nicht festgestellt werden, da die Vollstreckungsbehörde über die einfachen Zahlungsaufforderungen keine weiteren Vollstreckungshandlungen entfaltet hat.
Bezüglich des Umstandes, dass sich der Beklagte bereits innerhalb einer JVA befinde und zudem nach den Feststellungen der Verwaltungsbehörde zahlungsunfähig ist, sind einerseits die Voraussetzungen des § 96 OWiG nicht als erfüllt anzusehen, andererseits würde die bestehende Lage aufgrund der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit sowie der Freiheitsentziehung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung der Maßnahme nicht standhalten.
Das Amtsgericht Dortmund hat den Antrag auf Anordnung der Erzwingungshaft zurückgewiesen.
Amtsgericht Dortmund: Beschluss vom 14.01.2019 – 729 OWi 1/19 (b)
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Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Strafrecht