Sturmböen – Reichweite der Haftung des Halters eines Anhängers nach § 7 Abs. 1 StVG

 In Veröffentlichungen

Im Februar 2020 musste sich der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes mit der Halterhaftung von Anhängern gemäß des § 7 Abs. 1 StVG beschäftigen und hat hinsichtlich dieser Norm neue Feststellungen getroffen.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin hat ihren privaten PKW auf dem Parkplatz der Firma B abgestellt, in welcher ihr Mann als Berufskraftfahrer angestellt ist. Dieser Parkplatz wird überwiegend für die Lagerung von abgekoppelten Sattelauflegern genutzt. Jedoch mündet der Stellplatz in eine öffentliche Straße, wonach die Firma ihren Kunden und sogar außenstehenden Dritten Parkmöglichkeiten einräumt oder es zumindest duldet, dass auch Unbeteiligte ihre Kraftfahrzeuge dort über mehrere Tage abstellen.

Aufgrund des Sturmtiefs „Friederike“ wurde ein in der Nähe abgestellter, bei der Beklagten haftpflichtversicherter Sattelauflieger durch starken Seitenwind gegen den PKW der Klägerin geschoben, der dabei einen Totalschaden erlitt. Der schadensursächliche Sattelauflieger sei nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht ordnungsgemäß gesichert gewesen.

Das Amtsgericht als auch das darauf folgende Berufungsgericht wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass der Klägerin ein Anspruch aus § 7 StVG sowie § 115 VVG nicht zustehe, da der Sattelauflieger nicht das Merkmal „bei dem Betrieb“ erfülle, wenn er lediglich auf dem Parkplatz abgestellt wurde. Der Schaden an sich wurde auch nicht aufgrund der Betriebseinrichtung des Auflegers verursacht, sondern lediglich durch äußere, windbedingte Krafteinwirkung.

Auch ein mögliches „Anrollen“ der Räder durch Windeinwirkung reicht laut den Richtern der vorherigen Instanzen nicht aus, da ein solcher Umstand nicht für die Verwirklichung einer typischen Gefahr nach § 7 StVG ausreiche und verwies dabei auf ein Urteil des VI. BGH-Senats aus dem Jahre 2007 (VI ZR 210/06), welches sich mit dieser Problematik befasste.

Diese Argumentationen hielten der Revision in Karlsruhe nicht stand. Der BGH vertritt hier eine andere Form der Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG, welche wie folgt zu begründen ist:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ im Hinblick auf Kraftfahrzeuge entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Die Haftung, welche auf § 7 Abs. 1 StVG fußt, ist der Preis eines jeden Fahrzeughalters dafür, dass er durch das Halten eines eigenen Kraftfahrzeuges eine extreme Gefahrenquelle für seine Mitmenschen schafft. Aufgrund Sinn und Zweck der Norm ist es ratsam, demnach alle möglichen Schadensabläufe, welche durch Kraftfahrzeuge entstehen, in dieser Norm zu erfassen, um einen bestmöglichen Drittschutz zu gewährleisten.

Damit dieses Merkmal jedoch auch Begrenzung erfährt, soll der Betriebsbegriff nur soweit ausgelegt werden, wie der Betrieb eines Fahrzeuges fortdauert, d.h. solange der Fahrer das Fahrzeug im Verkehr belässt und die dadurch geschaffene Gefahrenlage fortbesteht.

Diese Grundsätze, welche der BGH in ständiger Rechtsprechung praktiziert und konkretisiert, sollen auch auf den Betrieb von Anhängern angewendet werden, soweit diese bestimmt sind, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden. Dies sei auch im oben geschilderten Fall zu erwähnen. Durch die starken Windböen kam es zur Gefahr einer unkontrollierten Bewegung des Anhängers, welche letztendlich aus dem vorherigen Betrieb des Anhängers resultierte, welcher dort abgestellt wurde.  Der Betriebsbegriff eines solchen Anhängers ist nach Ansicht der Richter aus Karlsruhe erst dann zu verneinen, soweit das Fahrzeug von der Fahrbahn gezogen und an einem Ort außerhalb des allgemeinen Verkehrs aufgestellt wird, was im Kontext so auszulegen sei, dass der Betrieb solange aufrechterhalten wird, bis eine Gefahrenlage für die anderen Verkehrsteilnehmer vollständig ausgeschlossen ist.

Aufgrund der sorgfaltswidrigen Sicherung des Anhängers kam es somit nicht zu einer Aufhebung des Merkmales „bei Betrieb“, wonach die Haftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG eröffnet sei und der Klage stattzugeben ist (BGH: Urteil vom 11.02.2020 – VI ZR 286/19).

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Strafrecht

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