§ 240 StGB: Nötigung durch erzwungenen Kuss?
Das Oberlandesgericht Hamm musste sich im Jahre 2013 mit den Voraussetzungen des Nötigungstatbestandes nach § 240 StGB auseinandersetzen. Dort wurde eine Revision über einen „erzwungenen Kuss“ verhandelt.
Das Urteil fußt auf folgendem Sachverhalt:
Ein 49 – Jähriger Essener erteilte der Geschädigten wöchentlich Gitarrenunterricht in einer Musikschule. Nachdem er über einen längeren Zeitraum versuchte, dem Opfer durch verbale Annäherung näher zu kommen, wies diese die Forderungen zurück und äußerte sich, dass sie so etwas nicht wolle und lediglich aufgrund des Musikunterrichts Zeit mit ihm verbringt. In einer Situation, in welcher sich beide frontal gegenüberstanden, zog der Angeklagte die Geschädigte zu sich hin, so dass Sie aufgrund des Gleichgewichtsverlustes nicht mehr ausweichen konnte und küsste diese auf den Mund.
Das Opfer zeigte den Mann an. Im zugrundeliegenden Strafverfahren ließ sich der Angeklagte ein, dass in seinem gezeigten Verhalten keine strafbare Nötigung gesehen werden könne, da er keinerlei Gewalt ausgeübt und die Geschädigte beispielsweise während des Kusses auch nicht festgehalten hat.
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten zu Recht als Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 StGB gewertet. Demnach hat der Angeklagte gegenüber der Geschädigten Gewalt angewendet und dadurch die Duldung eines Verhaltens – den Kuss auf den Mund der Geschädigten – erzwungen.
Kennzeichnend für die Anwendung von Gewalt ist neben einer körperlichen Kraftentfaltung des Täters auch die hierdurch verursachte unmittelbare physische Zwangswirkung auf das Opfer. In dieser Hinsicht reicht das tatsächliche Anfassen und Heranziehen der Geschädigten bereits aus, um diese körperliche Kraftentwicklung im Sinne des Gewaltenbegriffs nach § 240 Abs. 1 StGB anzunehmen.
Damit jedoch eine erzwungenes Verhalten angenommen werden kann, müsse ein entgegenstehender Wille überhaupt vorhanden sein. Denn wer keinen Willen zu einem bestimmten Verhalten hat, kann nicht zu Gegenteiligem gezwungen werden. Demnach würden überraschende, das Opfer lediglich „überrumpelnde“ Handlungen ausscheiden, auch wenn die betroffene Person diese nicht will. Diesen entgegenstehenden Willen habe das Oper jedoch bereits vor der Tat klar zum Ausdruck gebracht. Im Fall eines wie hier vorliegenden sexuell motivierten Täterverhaltens kann der entgegenstehende Wille selbstverständlich auch im Zusammenhang mit zunächst verbalen Anzüglichkeiten des Täters geäußert werden. Demnach kann hier nicht von einem „überraschenden“ Verhalten des Angeklagten ausgegangen werden, welches in bestimmten Konstellationen den Gewaltbegriff des § 240 Abs. 1 StGB entfallen lässt.
Da bereits das Heranziehen der Geschädigten als Gewalt zu qualifizieren war und der Nötigungserfolg bereits mit dem Erdulden des Kusses eingetreten war, kam es auch nicht darauf an, ob der Angeklagte die Geschädigte während des Kusses weiter festgehalten hat. Auch dies wurde seitens des Landgerichtes zutreffend gewürdigt, so dass eine Revision als unbegründet verworfen wurde (OLG Hamm, Beschluss vom 26.02.2013 – III-5 RVs 6/13).
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht