Stalking: 5 ½ Jahre Haft – Strafbarkeit wegen Nachstellung mit Todesfolge, § 238 Abs. 3 StGB

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Der Bundesgerichtshof bejahte in seinem Beschluss vom 15.02.2017 die Strafbarkeit wegen Nachstellung mit Todesfolge, weil ein Ex-Freund seiner Ex-Freundin derart nachstellte, dass diese sich selbst tötete.

Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Sommer 2014 ging das spätere Tatopfer mit dem Angeklagten eine Beziehung ein. Diese zerbrach jedoch bereits im Februar 2015 aufgrund der großen Eifersucht des Angeklagten. Die Beziehung nahm ein abruptes Ende, da das Tatopfer den Angeklagten bei einem geplanten Telefonat versehentlich mit dem Vornamen ihres früheren Liebhabers ansprach. Dies kränkte den Täter so sehr, dass er die Beziehung unter Groll beendete.

In der Folgezeit bis März 2015 kam es zu massiven Belästigungen seitens des Angeklagten. Nach den Feststellungen des Landgerichts sendete er dem Opfer zahllose Textnachrichten mit hasserfüllten Beleidigungen und Bedrohungen. Zudem verfolgte er Sie bei ihren täglichen Routinewegen zu ihrem Arbeitgeber oder in den Supermarkt. Des Weiteren störte er ihre Eltern und Freunde mit lästigen Telefonanrufen und beschädigte Teile ihres Eigentums, beispielsweise durch Aufschlitzen der Reifen an ihrem Auto.

Als Folge der Handlungen des Angeklagten war das Tatopfer stark verängstigt, verzweifelt und letztendlich nicht mehr arbeitsfähig. Sie konnte nicht mehr alleine wohnen und übernachtete ständig bei ihren Eltern, in ständiger Angst vor weiteren Bedrohungen und dem Erscheinen des Anklagten. Sie entwickelte eine starke psychisch-depressive Störung, welche sich nachhaltig verstärkte, als ihr Arbeitgeber ihr weitere Nachrichten zeigte, welche der Angeklagte über Sie in der Kollegenschaft verbreitete. Aufgrund des extremen Schamgefühls gegenüber ihrer Mitmenschen und der Feststellung, dass der Angeklagte durch seine Belästigungen ihr Leben „vollständig zerstört“ hat, erhängte sie sich im November 2015 im Keller ihrer Wohnung.

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Stuttgart verurteilte den Angeklagten wegen seines Verhalten unter anderem wegen Nachstellung mit Todesfolge gemäß § 288 Abs. 3 StGB. Gegen das Urteil legte der Angeklagte Revision zum Bundesgerichtshof ein und argumentierte, dass die Selbsttötung des Opfers letztendlich auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung beruhte und ihm deswegen objektiv nicht zugerechnet werden kann.

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Revision des Angeklagten zurück. Aufgrund des Vorliegens eines erfolgsqualifizierten Delikts nach § 18 StGB müsse ein sogenannter „spezifischer Gefahrenzusammenhang“ vorliegen. Dieser liegt seitens der Richter aus Karlsruhe vor, denn die extreme Nachstellung, welche lebensverändernde Züge angenommen habe, hat eine solche Gefahr begründet, welche nach allgemeiner Lebenserfahrung sich auch in einem tödlichen Ausgang niederschlagen kann.

Auch die Zurechnung des Ursachenzusammenhangs müsse dem Angeklagten zugerechnet werden, obwohl das Opfer die Entscheidung des Suizids „selbst“ getroffen habe. Dennoch handelte es sich nicht um eine völlig autonome Entscheidung, sondern kann „als letzte Steigerung der tiefgreifenden Beeinträchtigung der Lebensführung des Opfers dargestellt werden“. Der § 238 StGB schütze das Rechtsgut der Privatsphäre und der freien Persönlichkeitsentfaltung, demnach erfasse er nicht nur Fälle, in welchen das Opfer auf der Flucht des nachstellenden Täters zu Tode kommt, sondern auch solche, in welchen das Opfer vom Täter in den Selbstmord getrieben wird.

Das Urteil des Landgerichts, welches den Angeklagten zu eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilte, ist somit rechtskräftig.

BGH 4 StR 375/16 – 15. Februar 2017 (LG Stuttgart)

close up of prisoner hands in jail.
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Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Anwalt für Strafrecht

Fachanwalt für Verkehrsrecht

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